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private viewing
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21.08.2021

georg salner


A, E, I, O, U

eine spielerische untersuchung



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  Georg Salner, Installationsansicht, Foto © T.K.





Toni Kleinlercher

handwritings


 

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 Toni Kleinlercher, handwritings, Foto © T.K.



Essay zur Ausstellung  PRIVATE VIEWING 11  von  Johann Berger

2018 hat Toni Kleinlercher erstmals zu einem „private viewing“ geladen. Nun findet das elfte von zwölf Projekten in seinen Arbeitsräumen statt. Eingeladen ist Georg Salner. Das Atelier in der Gebrüder-Lang-Gasse bietet wieder einer Art Versuchsanordnung Platz. Anzuordnen sind nun Arbeiten des Gastes, die jenen des Gastgebers gegenüber positioniert sind. Das Setting lädt ein, Fragen nachzugehen. Beispielsweise jene Obsessionen betreffend, welchen die Protagonisten des elften privat viewings folgen, wenn sie als bildende Künstler das geschriebene Wort zum Gegenstand ihrer Arbeit machen. Die präsentierten Arbeiten kommen uns in ihrer formalen Reduktion wie Zeugnisse streng geübter Prozeduren entgegen. In der Stille ihrer Atelierräume im vierten (Salner) und fünfzehnten (Kleinlercher) Bezirk Wiens, erscheinen Salner und Kleinlercher als Übende. Das hieße im ursprünglichen Wortsinn: als Asketen (ἀσκεῖν askeín bedeutet „üben“) deren Tun über das Produkt hinausweist. Worauf? Zuerst wohl auf den Gegenstand ihrer Arbeit – auf Schrift, auf Text und letztendlich auf die vielfältigen Diskurse zur Literalität, wie sie insbesondere das zwanzigste Jahrhundert begleitet haben. Und dann wohl auf das, was die beiden Œuvres von einander abheben mag. Seien es die augenscheinlich unterschiedlichen Resultate der Anstrengungen, seien es die je individuell gepflegten Zugänge über die versal gesetzte Schrift bei Salner oder die aus der Handschrift abstrahierte Linie bei Kleinlercher. Wollten wir diese Suche nach den Differenzen weiter treiben, wir wären bald mit Derridas Neologismus der „differance“ konfrontiert. Und so mit einem Paradoxon. Denn wir hätten es auch hier mit einer Gemeinsamkeit zu tun, die Salner und Kleinlercher mehr verbindet, als unterscheidet. Beide übertragen das geschriebene Wort. Erst diese Metaphorizitäten verweisen an verschiedene Adressen: bei Kleinlercher kommen die Worte auf den Zeichenflächen vielschichtiger Lesbarkeit an. Dort haben sie von der Palimpsest-ähnlichen Atelierwand zu erzählen, der sie ihre Gestalt verdanken und von der Wortfülle, aus der sie hervorgegangen sind, nun jedoch auf horizontale Linien reduziert. Gisela Steinlechners Text zu „private viewing 10“ lotet dieses Verfahren Kleinlerchers aus. Bei Salners ausgestellten, gleichsam enzyklopädischen Auflistungen, warten die Worte noch auf ihre Übertragung in phonetische Ereignisse. Das tun sie – wohlwollende Imaginationsfreude vorausgesetzt – als ob die Listen eigentlich Partituren sein sollten, um vielstimmigen Intonationen zu dienen. So empfehlen sie dem inneren Ohr im stummen Lesen komplexe Rhythmen. Und so werden sie zu entfernten Verwandten eines Projektes von Toni Kleinlercher, bei dem ein Männerchor den Satz „Berge brauchen keine Menschen“ zu skandieren hatte. Diese Verwandtschaft zeigt weitere Familienähnlichkeiten, die Salners streng gerasterte Wortcluster als Nachkommen von Dada oder der konkreten Poesie ausweist. Mögen auch Salners Partituren kongenialen Interpreten begegnen! Einstweilen warten die Schriftzeichen in geometrischer Ordnung, als ob sie in ihren gleichen Dickten den Anschlägen aus einer Schreibmaschine zu verdanken wären. Zur horizontalen Ausrichtung der Zeilen kommt nämlich die vertikale – die einzelnen Schriftzeichen stehen exakt übereinander. Salner empfiehlt uns dieses Raster als System, in das er seine Wortsammlung einpasst. Und er unterläuft eine Erwartungshaltung, die stringent eingehaltene weitere Ordnungsprinzipien entdecken möchte. Dass die Anzahl der Vokale in den einzelnen Worten das gesamte Konvolut strukturiert, kommt dieser Erwartung noch entgegen. Die Aufeinanderfolge der Verben, Substantiva, Adjektiva etc. resultiert jedoch aus den Assoziationsketten Salners. Damit kommt er in die Nähe der Écriture automatique, einer Übung freier Assoziationen, wie sie im Surrealismus gepflegt worden ist. Er schränkt diese Freiheit jedoch ein, wenn er die Vokale zählt. Sein „wildes Denken“ in bewusst oder unbewusst gesetzten Wortfolgen entfaltet sich somit in grafisch und phonetisch strukturierten Ordnungen, die den oft biographisch konnotierten Wortinhalten ihren Platz zuweisen. Dieses Spiel mit den Signifikanten kommt uns wie eine Einladung entgegen. Es ermutigt dazu, die Terrains in Salners Welt auf jenen Spuren zu durchmessen, die hinter den augenscheinlichen Ordnungsprinzipien zu erschließen sind.


www.toni-kleinlercher.com